Musik:
Anfang: Ferruccio Busoni, Elegie
Nr. 4 «Turandots Frauengemach». Am Klavier, David Rubinstein.


Ab Min. 04:05: J.S. Bach,
Fuga Canonica und Ricercar
a 6 aus «Das musikalische Opfer». Es spielt das Kuijken Ensemble.


 


Biographie Alexej von Jawlensky

1864
Alexej von Jawlensky wird gemäss dem Julianischen Kalender am 13. März (gemäss dem Gregorianischen am 26. März) in Torshok, im russischen Gouvernement Twer geboren. Der Vater Georgij Nikiforovic Javlenskij ist Oberst und in zweiter Ehe mit Alexandra Petrowna Medvedewa verheiratet. Jawlensky hat einen älteren Stiefbruder, Konstantin, einen älteren Bruder, Sergej und zwei jüngere Brüder, Dmitrij und Alexander, und er hat eine ältere und eine jüngere Schwester, Nina und Vera.

Traditionsgemäss werden alle Brüder die militärische Laufbahn einschlagen: Alexander und Dmitrij waren Oberst-Leutnant, Sergej war Militär Richter und Staatsanwalt und Konstantin Unteroffizier.

Die Familie Javlenskij gehört zum russischen Erbadel des Rjasanskoj Gouvernements und ist in den Adelsbüchern der Gouvernements Moskau und Astrachan eingetragen.

Die ersten Kindheitserinnerungen sind mit dem Familiengut der Medwedew in Kuzlowo verbunden, wo auch die Grossmutter mütterlicherseits, Eudoxia Jakowlewna geborene Khwostaw, bis zu ihrem Tode lebt.


1864 – 1876
Vor 1869 wird Alexejs Vater nach Neswich, in der Nähe von Minsk, versetzt und 1873 nach Aschenstwo, an die preussische Grenze. Die Familie folgt dem Vater während seiner Versetzungen bis 1874, dann zieht die Mutter mit den Kindern nach Moskau, um ihnen eine standesgemässe Ausbildung zu gewährleisten. Alexej beginnt die erste Klasse eines humanistischen Gymnasiums und wechselt nach einem Jahr in eine Privatschule über, die er zwei Jahre lang besucht.


1881
Alexej tritt als Interner der vierten Klasse in die strenge Kadettenschule, in das Zweite Moskauer Kadettenkorps in Moskau ein, nachdem er die dazu notwendigen Prüfungen bestanden hat.

Mittlerweile war das Familiengut Kuzlowo verkauft worden, wodurch den glücklichen Sommerferien auf dem Gut ein Ende gesetzt war.


1882
In Moskau besucht Jawlensky die Allrussische Industrie- und Kunstausstellung, in der er zum ersten Male Gemälde sieht, die ihn so tief beeindrucken, dass er dieses Erlebnis als Wendepunkt in seinem Leben bezeichnet und nun jede freie Minute in der damals noch privaten Tretjakow-Galerie verbringt, in der er sich «wie in einem Tempel» fühlt. Seine Leistungen im Zeichenunterricht verbessern sich, so dass seine Zeichnungen unter Glas gerahmt in der Zeichenklasse als Vorbild aufgehängt werden.

Der Vater stirbt. Dieser Verlust ist der erste grosse Schmerz im Leben Alexejs, der seinen Vater sehr geliebt hatte. Mit dem Tod des Vaters verschlechtert sich die finanzielle Lage der Familie, der geplante Besuch einer Malschule wird unmöglich. Alexej tritt in die Moskauer Alexander-Militärschule ein, wo er eifrig studiert, um einer der besten Absolventen zu bleiben, denn sein Entschluss Malerei zu studieren besteht weiterhin. In den folgenden zwei Jahren wird er ein hervorragender Florettfechter und Schütze. Neben seinen Besuchen in der Tretjakow-Galerie erlebt er während eines Konzerts von Anton Rubi
nstein zum ersten Male die Faszination der Musik.


1885
Alexej tritt in die Dritte Alexander-Militärlehranstalt ein, in der Offiziere der Infanterie ausgebildet wurden, und kommt in das Siebte Samogitische Grenadierregiment. Bei dem Maler Nikolaj Rackov, der in einem Flügel des Hauses Botkin wohnt, mietet er ein Zimmer. Die drei Brüder Botkin gehörten zu den reichsten Familien Russlands; einer führte die Geschäfte der Teegrosshandlung, ein zweiter besass eine bedeutende Sammlung chinesischer und byzantinischer Kunstwerke und der dritte, Dmitrij Petrowitsch Botkin, sammelte  zeitgenössische russische und westeuropäische Kunst. Hier sieht Alexej erstmals Werke der französischen Malerei.


  Jawlensky als Leutnant, 1887

1887
Da eine künstlerische Ausbildung neben der militärischen Laufbahn in Moskau nicht möglich ist, strebt Jawlensky die Versetzung nach St. Petersburg an. In der Tretjakow-Galerie kopiert er Bilder von Wassilij Wereschtschagin (1842-1904), um sich auf die Prüfung an der St. Petersburger Kunstakademie vorzubereiten. Wereschtschagin studierte 1861-1863 an der Petersburger Akademie der Bildenden Künste und 1864-1865 im Atelier von J. L. Gérôme in Paris; Gérôme hatte zeitweise Ateliers in Paris und München.


1890
Es gelingt Jawlensky, sich im Herbst vorerst nach Kronschtadt, in das Zweite Festungs-Infanterie-Bataillon und anschliessend nach St. Petersburg zum Alexander-Nevskij-Regiment versetzen zu lassen. Im August besteht er die Aufnahmeprüfung der Akademie der Künste und erhält die Genehmigung, neben der militärischen Laufbahn, die Akademie zu besuchen. Hier besucht er vorerst die «Kopfklasse», wo neben dem Theorieunterricht Zeichnungen nach Gipsabgüssen und Statuen angefertigt werden.


1890 – 91
Aufgrund seiner Erfolge wird Jawlensky im Februar 1891 in die «Figurenklasse» versetzt, wo ebenfalls vor antiken Gipsfiguren gezeichnet wird. In diesen Jahren lernt er den Arzt und Maler Golutscheff kennen, der ihn mit dem Maler Grigorij Jarcev bekannt macht. Jarcev hatte ab 1885 mehrmals Arbeiten bei der «Genossenschaft für Wanderausstellungen» gezeigt. Im Mai unternehmen er und Jawlensky eine Reise entlang der Wolga von Niznij Novgorod bis Astrachan’, um Landschaften zu malen.

Jawlenskys Ästhetik-Professor Sachetti empfiehlt ihm, sich bei Il’ja Repin weiterzubilden, der ihn sofort zu seinen Künstlertreffen am Mittwochabend einlädt. Hier lernt er andere bekannte Maler kennen, wie Ivan Schischkin  (Siskin; 1832-1898), der Gründungsmitglied der «Peredwishniki» («Genossenschaft für Wanderausstellungen») und von 1894-1895 Professor an der Petersburger Akademie war; Konstantin Korowin (1861-1939), der auch in Moskau und St. Petersburg studiert hatte und als Bühnenbildner u.a. am Bolschoj-Theater tätig war; Archip Kuindzi ( 1842-1910), der sich als Autodidakt der «Peredwishniki» angeschlossen hatte und der von 1892-1894 an der Malschule der Akademie in St. Petersburg unterrichtete; Vassilij Surikov (1848-1916), auch er studierte an der Akademie in St. Petersburg und stellte bei der «Genossenschaft für Wanderausstellungen» aus; Valentin Serov (1865-1911), ein Schüler Repins, der in München und Paris studiert hatte und von 1897-1909 an der Moskauer Schule für Malerei unterrichtete. Er und Jawlensky waren später befreundet. Durch Kuindzi erfährt Jawlensky erstmals etwas über die Malerei der Impressionisten, besonders über Manet und Sisley.


1891 – 1895
Durch Repin lernt Jawlensky 1892 Marianne von Werefkin kennen, die schon als realistische Malerin bekannt geworden war. Sie ist die Tochter des kommandierenden Generals der Peter- und Pauls-Festung und vier Jahre älter als Jawlensky.

In St. Petersburg besucht Jawlensky oft die Hermitage, das Museum Alexander III. und das Museum für russische moderne Kunst, wo er Ikonen und die Gemälde Rembrandts bewundert. Mit seinem Professor, Wassily W. Mathé (1856-1917), verbringt er im September 1892 zwei Wochen auf dem Gut Repins, Zdravnevo im Gouvernement Vitebsk. Im Herbst 1892 wird er aufgrund seiner Fortschritte in die «Naturklasse» versetzt, wo er farbige Aktstudien anfertigt.

Auf Werefkins Einladung hin verbringt Jawlensky die Sommer 1893 und 1895 mit ihr auf dem Gut ihres Vaters Blagodat’, im Gouvernement Kovno, um zu malen; oft stehen ihnen alte Juden aus einem Dorf der Umgebung Modell.

Auf dem Gut lernt Jawlensky 1895 seine spätere Ehefrau Helene Nesnakomoff kennen (1881-1965); sie stammt aus einer mit der Familie Werefkin bekannten Kaufmannsfamilie und wurde Marianne von Werefkin anvertraut. 1893 malen Werefkin und Jawlensky einige Monate im Atelier Repins, der im Oktober 1893 für mehrere Monate verreist war, und in Mariannes Atelier in der Peter- und Pauls-Festung. Im Oktober 1894 besucht Jawlensky die neu gegründete Abteilung der Kunsthochschule in der Akademie der Künste, wo er erneut in die «Kopfklasse» aufgenommen wird; inzwischen wird hier nach lebenden Modellen gemalt. Dennoch besteht allgemein Unzufriedenheit mit den Lehrmethoden.


1896
Am 28. März stellt Alexej bei Zar Nikolai III. aus Gesundheitsgründen ein Gesuch für seinen Austritt aus dem Militär. Dies wird ihm am 2. Juli genehmigt, er tritt mit dem Grad eines Stabskapitäns aus dem Militär aus und erhält bis Ende 1917 eine Pension von 105 Goldrubel, was ein Drittel seines Militärgehaltes ausmacht. Im April verlässt er die Akademie, nachdem er zwei weitere Kurse absolviert hat (Kopf- und Naturkurs).

Im Sommer unternehmen Jawlensky, die Werefkina und Fräulein Ljubovickij, die Tochter des Generals, der ihm zur frühzeitigen Pensionierung verholfen hatte, eine grössere Reise nach Deutschland, Holland und Belgien; sie besuchen Dresden, Berlin, Köln, Antwerpen, wo Jawlensky sich für Whistler, Puvis de Chavannes und Turner begeistert. Über Paris und London kehren sie nach St. Petersburg zurück. Im Winter 1895/96 stirbt der Vater Marianne von Werefkins.

Jawlensky siedelt im November mit seinen Malerfreunden Igor Grabar’ (1871-1960) und Dmitrij Kardovskij (1866-1943) nach München über, da alle drei mit dem Unterricht an der Akademie unzufrieden sind und sich im Westen weiterbilden wollen. Marianne von Werefkin schliesst sich ihnen an. Jawlensky lässt seine Uniform, seine Bilder sowie seine persönlichen Dokumente bei seiner Mutter und einem Bruder in Russland zurück.

Grabar’, ebenfalls ein Repinschüler, kehrte vor 1903 nach Moskau zurück, wo er u.a. Direktor der Tretjakow-Galerie wurde. Kardovskij kehrte um 1900 nach Russland zurück und wurde 1907 Professor an der Petersburger Akademie.

Sie melden sich am 27. Oktober bei der Polizeibehörde München an. Jawlensky, Werefkin und Helene Nesnakomoff finden eine Wohnung in der Giselastrasse 23, in der sie bis 1914 leben, Grabar’ und Kardovskij wohnen in der Giselastrasse 25.

Die drei Männer setzen ihre künstlerische Fortbildung in der renommierten Mal- und Zeichenschule von Anton Azbé fort, wo sie bald als Meisterschüler und Hilfslehrer bekannt werden. Marianne von Werefkin hört vorerst auf zu malen; laut ihren eigenen Angaben, um sich der Förderung der Malerei Jawlenskys zu widmen, den sie als ihren Schützling betrachtet.


1897
In der Azbé-Schule begegnet Jawlensky Wassily Kandinsky, der ebenfalls 1896 aus Russland gekommen war. Zwischen den beiden Künstlern entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Wohl dieses Jahr reist Jawlensky im April mit Werefkin, Grabar’, Kardovskij und Azbé nach Venedig; er ist nicht besonders beeindruckt von dem, was er dort sieht.


1898
Im Sommer unternimmt Jawlensky mit Marianne von Werefkin und Helene eine Reise nach Russland auf das Gut Wladimirskoje, im Gouvernement Jaroslavl, zu Jawlenskys Bruder Dmitrij.

Im Herbst kehren sie nach München zurück, wo Jawlensky, Grabar’ und Kardovskij an der Azbé-Schule weiter Köpfe und Akte zeichnen. Die drei machen die Bekanntschaft von Franz von Stuck und tauschen sich mit ihm über die Technik der Temperamalerei aus. Jawlensky bekommt Besuch von Valentin Serov.


1899
Mit seinem Austritt aus der Azbé-Schule dokumentiert Jawlensky die Eigenständigkeit seiner künstlerischen Auffassung und Tätigkeit. Mit Grabar’ und Kardovskij eröffnet er eine Malschule.

Jawlensky malt hauptsächlich Stilleben, laut eigener Aussage, auf der Suche nach Harmonie in den Farben. Igor Grabar’ und Dmitrij Kardovskij kehren bald wieder nach Russland zurück.


1901
Reise mit Marianne von Werefkin und Helene auf das Gut Ansbaki, Gouvernement Vitebsk. Jawlensky erkrankt an Typhus und erholt sich anschliessend auf der Krim in Begleitung von Marianne von Werefkin; dort sieht er in Alupka Kardovskij wieder mit dessen Ehefrau Olga Della-Voss, die ebenfalls eine begabte Malerin ist.


Geburtshaus von Andreas,
Schloss Ansbaki, 1902


1902
Am 18. Januar wird Jawlenskys und Helenes einziger Sohn Andreas geboren. Nach der Rückkehr nach München malt Jawlensky figurale Bilder. Modell stehen hauptsächlich Helene und ihre jüngere Schwester Maria, die im November dieses Jahres nach München kam. Jawlenskys Malerei ist beeinflusst durch Anders Zorn. Lovis Corinth besucht ihn und rät, ein Gemälde zur Berliner Sezession zu schicken, wo es auch ausgestellt wird.


1903
Marianne von Werefkin fährt im Sommer mit dem Künstler Alexander Salzmann in die Normandie, danach treffen sie sich mit Jawlensky in Paris.

In München lernt Jawlensky in diesen Jahren den Zeichner Alfred Kubin kennen, dessen Frau er 1906 porträtieren wird. Er macht die Bekanntschaft mit dem Philosophen Theodor Lipps, dessen Vorlesungen über Ästhetik auch den Münchner Künstlerkreisen bekannt waren.

1904
Während des Sommeraufenthalts in Reichertshausen malt Jawlensky eine Reihe glühender Landschaften. Er wird bekannt und befreundet mit dem Maler Wladimir Bechtejeff (1878-1971), der wie Jawlensky eine militärische Laufbahn hinter sich hatte und bis 1914 in München lebt. Im Hause des jungen Künstlers Felix vom Rath, der 1905 verstarb, sieht Jawlensky erstmals ein Gemälde von Paul Gauguin, «Reiter am Strand von Tahiti». Hier lernt Jawlensky die Pianistin Anna Langenhan-Hirzel kennen.


Jawlensky mit Sohn Andreas
1905 in München


1905
Im März entstehen in Füssen eine Reihe Landschaften.

In seinen Lebenserinnerungen (erstmals publiziert in: Clemens Weiler, Jawlensky. Köpfe, Gesichte, Meditationen. Hanau 1970) schreibt Jawlensky, er sei im Frühjahr in die Bretagne gefahren, wo er Landschaften und Köpfe malte, habe anschliessend zehn Gemälde im Pariser Salon d’Automne in der russischen Abteilung ausgestellt. Diese Ausstellung fand erst ein Jahr später statt; im Ausstellungskatalog von 1906 (publiziert in: Donald Gordon, Modern Art Exhibitions 1900-1916, München1974) sind zehn Gemälde Jawlenskys unter der Benennung «Etudes (Bretagne)» zu finden.

Im Salon d’Automne des Jahres 1905 dagegen, ist Jawlensky mit sechs Gemälden vertreten (Katalog publiziert in Gordon).

Nach derzeitigem Forschungsstand bestehen zwei Möglichkeiten: entweder ist Jawlensky zweimal in die Bretagne und nach Paris gefahren, 1905 und 1906, oder er ist nur 1906 dort gewesen und irrt sich in seinen Lebenserinnerungen im Datum; die Lebenserinnerungen diktierte er Lisa Kümmel schwer krank im Alter von 72 Jahren.

Vermutlich fuhr Jawlensky auch schon 1905 nach Paris, da seine Werke im Salon d’Automne ausgestellt wurden (Belege dafür sind nicht durchgehend schlüssig). Entsprechend lernten sich Matisse und Jawlensky 1905 oder 1906 in Paris kennen.

Laut den Lebenserinnerungen reist Jawlensky nach der Ausstellung 1905 in Paris (richtig ist 1906) nach Sausset in Südfrankreich, wo er Landschaften malt; nach Weihnachten kehrt er über Genf, wo er Ferdinand Hodler besucht, nach München zurück.

Jawlenskys Biographie zwischen 1905 und 1907 ist noch Gegenstand vertiefter Forschungen. Durch Briefe sind der Sommer in Carantec und der Aufenthalt in Paris im Jahre 1906 zu belegen, durch gesicherte Werkdatierungen der herbstliche Aufenthalt in Wasserburg am Inn im Jahre 1906 und der Sommeraufenthalt im Jahre 1907.


1906
Im Januar hält sich Jawlensky vier Wochen in St. Petersburg auf, wo er neun Gemälde ausstellt und auch selbst hängt. Diese Ausstellung und der Pavillon Russe im Pariser Salon d’Automne desselben Jahres, wurden von Djagilew organisiert, den Jawlensky und Werefkin schon von St. Petersburg her kannten. Im Sommer hält sich die Familie und Werefkin in Carantec, in der Bretagne auf. Zehn Werke Jawlenskys werden in Paris im Salon d’Automne ausgestellt. Gleichzeitig sieht Jawlensky die grosse Gauguin-Retrospektive, die im Salon gezeigt wird. Er begeistert sich hier für die französischen Künstler wie Gauguin, Cézanne und Vlaminck; die russischen Künstler hingegen gefallen ihm weniger. In Paris trifft er Elisabeth Epstein und macht spätestens 1906 die Bekanntschaft von Matisse.

Im Frühherbst malt Jawlensky in Wasserburg am Inn, wo überwiegend Landschaften und Portraits entstehen.

Ende 1906/Anfang 1907 lernt er Jan Verkade, Pater Willibrord Verkade (1868-1946) kennen, der sich bis 1908 in München aufhält und zeitweise im Atelier Jawlenskys malt.

Jawlensky setzt sich mit der Malerei Cézannes auseinander, dessen Einfluss im Werk noch 1907 deutlich zu spüren sein wird.


1907
Durch Verkade, der 1891 Gauguin in Paris kennen gelernt hatte und in die Gruppe der Nabis aufgenommen worden war, erfährt Jawlensky mehr über die Lehre Gauguins und über die Texte des französischen Theosophen Edouard Schuré. Bekanntschaft mit Paul Sérusier, der Jan Verkade in München besucht. Er lernt in dieser Zeit den Maler Karl Caspar kennen.

Der Sommeraufenthalt in Wasserburg am Inn fällt kürzer aus als der vorige. Sein Sohn Andreas beginnt mit ihm zu malen.

Im Herbst reist er mit Helene und Andreas erneut nach Paris, «wegen Cézanne», dessen Retrospektive im Salon d’Automne gezeigt wird. Davor oder danach entstehen in der Nähe von Marseille wiederum Landschaften in glühenden Farben.


von links nach rechts:
Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Andreas Nesnakomoff Jawlensky, Gabriele Münter
Murnau; 1908

1908
Jawlensky macht die für ihn wichtige Bekanntschaft mit dem Tänzer und Maler Alexander Sacharoff (1886-1963), den er bis 1913 mehrmals porträtiert und mit dem sich eine lebenslange Freundschaft entwickelt.

Dank des Entgegenkommens der Witwe Theo van Goghs kann Jawlensky das Gemälde van Goghs «La maison du Père Pilon» erwerben.

Mit der Familie, Marianne von Werefkin, Wassilij Kandinsky und Gabriele Münter verbringt Jawlensky den Sommer in Murnau.


1909
Jawlensky macht die Bekanntschaft von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie. In diesen Jahren lernt er auch Ida Kerkovius, Erma Barrera-Bossi, August Macke und die Brüder Burljuk kennen.

Zum zweiten Mal hält er sich im Sommer mit der Familie und den Malerfreunden des vorhergehenden Jahres in Murnau auf. In diesem Jahr erfährt seine Malerei eine bedeutende Entwicklung, die vor allem in seinen grossformatigen Portraits ihren Höhepunkt erreicht.

Jawlensky, Kandinsky, Gabriele Münter, Marianne von Werefkin, Adolf Erbslöh, Alexander Kanoldt, Alfred Kubin und die Kunstliebhaber Heinrich Schnabel und Oskar Wittenstein gründen die «Neue Künstlervereinigung München». Kandinsky wird erster und Jawlensky zweiter Vorsitzender. Kurz darauf schliessen sich auch Paul Baum, Wladimir Bechtejeff, Erma Barrera-Bossi, Carl Hofer, Moyssey Kogan und Alexander Sacharoff an.

Die erste Ausstellung der Gruppe findet im Dezember in der Modernen Galerie Thannhauser statt: Publikum und Presse bezeichnen die Schau  als Skandal. Der Direktor der Staatsgemäldesammlungen Hugo von Tschudi  dagegen schätzt die Malerei der Gruppe sehr. Der Sammler Karl Ernst Osthaus veranlasst in Hagen eine grössere Ausstellung mit Werken Jawlenskys und Kandinskys. Jawlensky hat sich bereits einen Kreis von Sammlern seiner Werke aufbauen können. Wohl in diesem Jahr beginnt die Freundschaft mit Cuno Amiet.

Die Werefkin verbringt zwischen Ende 1909 und Anfang 1910 mindestens vier Monate in Litauen bei ihrem Bruder.


1910
Jawlensky und Franz Marc begegnen sich. Nachdem dieser die zweite Ausstellung der «Neuen Künstlervereinigung» sieht, wird er 1911 ebenfalls Mitglied der Gruppe. Pierre Girieud und Le Fauconnier treten in diesem Jahr der Künstlervereinigung bei. Dank der Vermittlung von Kandinsky stellt Jawlensky 6 Gemälde in der Ausstellung im Salon von Wladimir Izdebsky in Odessa und Kiew (Dezember 1909 - Februar 1910) aus und im Dezember des gleichen Jahres nochmals in Odessa bei einer Internationalen Kunstausstellung im gleichen Salon. Er reist alleine mindestens bis Ostern nach Russland. Er stellt auch beim Sonderbund Westdeutscher Künstler in Düsseldorf aus, wo er nach eigener Aussage grossen Erfolg hatte.

1910 ist der letzte Sommeraufenthalt in Murnau.


1911
Jawlensky ist kurz zu Besuch bei Franz Marc in Sindelsdorf/Oberbayern.

Den Sommer verbringt er mit der Familie und der Werefkin in Prerow an der Ostsee, wo er seine «besten Landschaften und grosse figurale Arbeiten, wie ‹Der Buckel I› in sehr starken, glühenden Farben» malt. Für ihn war diese Zeit «eine Wendung in meiner Kunst». Im Herbst reist er mit Werefkin nach Paris, wo er Matisse wieder sieht, Pierre Paul Girieud (1875-1940) besucht und Kees van Dongen kennen lernt, deren Bilder er schätzt. Girieud besucht Jawlensky noch im gleichen Jahr in München und wohnt bei ihm. Im November besucht ihn Heinrich Campendonk im Atelier.

Im Dezember treten Kandinsky, Marc, Münter, Kubin und Macke aus der «Neuen Künstlervereinigung» aus; Kandinsky und Marc gründen den «Blauen Reiter».

In Barmen findet in der Ruhmeshalle Jawlenskys erste Einzelausstellung statt. Vermutlich im Spätsommer reist er gemeinsam mit Werefkin dorthin.


   Alexej von Jawlensky um 1912

1912
Jawlensky, Werefkin und Bechtejeff treten aus der «Neuen Künstlervereinigung» aus; Jawlenskys Werke werden von Kandinsky und Marc im «Blauen Reiter» ausgestellt, obwohl er der Gruppe nicht offiziell beigetreten ist. Im Frühjahr kommt das russische Ballett unter der Leitung von Djagilev nach München; Jawlensky wird bekannt mit den Tänzern Nijinsky, Karsavina und Pawlowa.

In diesem Schaffensjahr ist Jawlensky äusserst produktiv, es entstehen die starken, sinnlichen Portraits im typisch quadratischen Format.

Im Sommer fährt Jawlensky mit der Familie und Marianne von Werefkin nach Oberstdorf im Allgäu, wo sie bis Ende Dezember bleiben; es entstehen farbstarke Landschaften. Kardovskij besucht sie dort mit seiner Ehefrau. Ende November, Anfang Dezember reist Jawlensky kurz nach Zürich, da er an einer Kollektivausstellung in der Galerie Kunstsalon Wolfsberg teilnimmt. Er trifft den Schweizer Sammler Rudolf Kisling, der drei Werke von Jawlensky erwirbt, und wohl auch in diesem Jahr den amerikanischen Sammler Jerome Eddy.

Jawlensky lernt Paul Klee und Emil Nolde kennen, deren Werke er sehr schätzt, und mit denen ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. Er erwirbt das Gemälde «La Ville, no. 1» von Robert Delaunay.


1913
Bei der Vorbereitung der Ausstellung «Amiet und Giovanni Giacometti» in der Galerie Neue Kunst Hans Goltz sieht Jawlensky Cuno Amiet wieder.

Jawlensky nimmt mit vier Gemälden am ersten «Deutschen Herbstsalon» von Herwaldt Walden in Berlin teil. Die «Futuristische und Expressionistische Ausstellung» in Budapest, zeigt 41 Gemälde Jawlenskys, die anschliessend in Lemberg (Polen) zu sehen ist (Reise nach Budapest und Lemberg?).

Das Jahr 1913 bringt eine erste Trennung von Marianne von Werefkin, die nach Litauen zurückkehrt.


Alexej von Jawlensky in Bordighera, 1914


1914
Auf der Ausstellung «Baltinska Utställningens» in Malmö werden neben weiteren russischen Künstlern Werke Jawlenskys, Werefkins und Andreas Nesnakomoffs gezeigt. Jawlensky war beauftragt worden, die Gruppe der russischen Künstler zusammenzustellen.

Im Frühjahr fährt Jawlensky alleine nach Bordighera, an die italienische Riviera zur Kur. Es entsteht eine kleine Reihe südlicher Landschaften.

Daraufhin besucht er seine Mutter und Geschwister in Russland und den Bruder Sergej in Warschau. Auf der Rückreise nach München begibt er sich nach Litauen, wo sich Marianne von Werefkin bei ihrem Bruder aufhält. Er kehrt vorerst alleine nach München zurück, sie kommt etwas später nach. Bereits in München befasst er sich mit Yoga.

Bei Kriegsausbruch im August müssen Jawlensky, seine Familie und die Werefkin Deutschland innerhalb 48 Stunden verlassen und sie begeben sich, über die Ereignisse zutiefst erschüttert und gedemütigt, nach Saint Prex, einem kleinen Dorf am Genfersee.

Hier können sie dank der Vermittlung des wohlhabenden Freundes A. von Chruschtschoff, der in Lausanne lebt, im Hause der Familie Rubatelle eine Wohnung mieten. Jawlensky hat nun kein eigenes Atelier, sondern nur ein Zimmer mit Fenster, wo er fortan sitzt und malt. Der Münchner Freundes- und Künstlerkreis wird somit getrennt.

Das Atelier und der gesamte Haushalt in München werden von den Freunden Adolf Erbslöh und Lily Klee gehütet.

Jawlensky beginnt seine «Variationen über ein landschaftliches Thema» zu malen. Cuno Amiet bringt ihm aus München das Gemälde van Goghs sowie Jawlenskys Gemälde «Der Buckel I» und zwei weitere Köpfe, nach Saint Prex. Besuch bei Amiet auf der Oschwand.


1915
Jawlensky besucht Hodler in Genf, Strawinsky in Morges, Cuno Amiet auf der Oschwand und Paul Klee in Freiburg. In Lausanne findet eine Ausstellung mit Werken russischer Exilanten statt, wo Jawlensky sein Gemälde «Der Buckel I» zeigt. Emmy Scheyer sieht diese Ausstellung und beschliesst, Jawlensky kennen zu lernen.
Neben den «Variationen» malt er wieder Mädchenköpfe und sporadisch Landschaften und Stilleben.

1916
Die Malschülerin Emmy Scheyer (1889-1945) sucht die Bekanntschaft Jawlenskys. Sie ist von dessen Kunst so beeindruckt, dass sie beschliesst, ihre eigene Malerei aufzugeben und sich der Verbreitung seiner Kunst zu widmen. Aufgrund eines Traumes gibt er ihr den Spitznamen Galka (auf Russisch «Dohle»). Jawlensky unternimmt Reisen nach Zürich und pflegt Kontakte zur Galerie Kunstsalon Wolfsberg.


1917
In Russland bricht die Revolution aus und Jawlensky bangt um seine Familie, da seine Brüder hohe militärische Posten innehaben. Seine geliebte Mutter stirbt. Jawlensky, seine Familie und die Werefkin übersiedeln nach Zürich, wo er sich am 22. Oktober polizeilich anmeldet. Man wohnt in der Drosselstrasse 5, wo zu dieser Zeit auch Alexander Sacharoff und seine Frau Clotilde von Derp wohnten. In Zürich lernt Jawlensky die Künstler Hans Arp, Sophie Taeuber, Marie Laurencin, Wilhelm Lehmbruck, Arthur Segal, den Komponisten Ferruccio Busoni, die Tänzerinnen Anika Jan und Lotte Bachrach (Lotte Bara), die er porträtierte, und den Galeristen Paul Cassirer kennen. Er verkehrt im Milieu des Café Odéon, lernt Hugo Ball, Emmy Hennings, Hans Richter, Marcel Janco und Tristan Tzara kennen. Nun hat er wieder die Möglichkeit, grössere Ausstellungen zu besuchen, z.B. von Renoir und Cézanne. Er beginnt die Reihe der «Mystischen Köpfe» und der «Heilandsgesichte» zu malen.

In diesen Jahren stellt er bei der Galerie Kunstsalon Wolfsberg und bei Han Corray aus.

Im Winter erkrankt er an einer schweren Grippe, die Ärzte raten ihm, in den Süden zu fahren.


1918
Im April zieht Jawlensky mit der Familie und M. v. Werefkin ins Tessin nach Ascona, wo sie zuerst im Ristorante del Lago wohnen und später direkt am See, im Castello Bezzola. In Ascona trifft Jawlensky Arthur Segal und die Tänzerin Lotte Bachrach wieder und lernt Gordon McCouch, Ernst Fricker, Artur Bryks und Otto Niemeyer-Holstein kennen.

Die Familie Bachrach und der Pelzhändler Bernhard Mayer, die Jawlensky in Zürich kennen gelernt hatte, gehören zum Kreis der Freunde Jawlenskys. Sie erwerben in diesen Jahren mehrere seiner Werke.

Jawlensky beginnt die Reihe der «Abstrakten Köpfe» zu malen, die er erst 1935 beenden wird.


Alexej von Jawlensky, Helene Nesnakomoff und Andreas Nesnakomoff Jawlensky in München 1919


1919
Jawlensky erkrankt an Nesselfieber, einem Lungenleiden und erleidet Koliken, die ihn schwächen und 1919 und 1920 zu Klinikaufenthalten in der Zürcher Klinik von Dr. Bircher-Benner zwingen.

Die seit langem existierenden Konflikte mit M. v. Werefkin spitzen sich zu, u.a. weil Jawlensky und Helene heiraten wollen. Emmy Scheyer besucht Jawlensky in Ascona, eine Publikation wird geplant, doch leider nicht realisiert.

Bekanntschaft mit Rainer Maria Rilke, der Ende 1919 bis Anfang 1920 in Locarno weilt, und einige Male nach Ascona kommt.

Jawlensky beendet die Reihe der «Mystischen Köpfe».


Am Bahnhof von Locarno, 1919/1920; von links: Helene Nesnakomoff, Alexander Sacharoff,
Alexej von Jawlensky,
Emmy Galka Scheyer,
Clotilde von Derp,
Marianne von Werefkin


1920
Jawlensky reist mit Helene und Andreas nach München, um den Haushalt aufzulösen. Hier werden viele undatierte Gemälde nachdatiert und signiert und viele teils skizzenhafte, teils unfertige Malpappen verschenkt oder für wenige Mark verkauft. Von München aus kurze Fahrt nach Berlin zur Eröffnung der ersten von Emmy Scheyer organisierten Ausstellung in der Galerie Fritz Gurlitt. Es werden auch Werke von Jawlenskys Sohn Andreas Nesnakomoff gezeigt. Nach Berlin wandert die Ausstellung, in verschiedenen Formen, in etwa 20 weitere deutsche Städte.

Alexander und Clotilde Sacharoff besuchen Jawlensky im September in Ascona, etwas später kommen auch Paul und Lilly Klee zu Besuch. Im Oktober fährt Emmy Scheyer nach München, um im Atelier gebliebene Werke Jawlenskys auszusuchen, die sie in grossen Wanderausstellungen durch ganz Deutschland ab 1920 bis 1923 zeigt.

Jawlensky beginnt Sehnsucht nach Deutschland zu haben, nimmt aber die ihm angebotene Professur am Bauhaus in Dessau nicht an, da für ihn Kunst nicht lehrbar sei.

Im Dezember ist er kurz in Genf, wo er einige Gemälde ausstellt. Er lernt Alexander Archipenko kennen. Ende des Jahres bis Januar 1921 folgt erneut ein Klinikaufenthalt in Zürich.

Jawlensky stellt einige seiner Werke an der Biennale in Venedig aus, ebenfalls sein Sohn Andreas und die Werefkin.


1921
Jawlensky entscheidet sich, nach Deutschland zurückzukehren und verlässt Ascona Ende Mai. Er zieht nach Wiesbaden, wo eine von Emmy Scheyer organisierte Ausstellung grossen Erfolg hat. Jetzt erfolgt die definitive Trennung von Marianne von Werefkin.

Helene und Andreas bleiben vorerst in Ascona. Mit Emmy Scheyer besucht Jawlensky das Bauhaus in Weimar und trifft Klee; in Berlin sieht er Kandinsky wieder, der aus Russland zurückgekehrt ist.

In Wiesbaden gehören das Sammlerehepaar Heinrich und Toni Kirchhoff, der Bildhauer Vinecki, der Architekt Edmund Fabry, der Maler Franz Schaurte und der Chirurg Dr. Heile zu Jawlenskys Freundeskreis. Zusammen mit Vinecki entwirft Jawlensky die Rahmen für seine Abstrakten Köpfe. In diesen Jahren lernt er den Bildhauer Alfred Hensler und seine ebenfalls künstlerisch tätige Ehefrau Annie Hensler-Möring kennen. Jawlensky malt seine letzten «Variationen».


Alexej von Jawlensky und Helene Nesnakomoff am Bahnhof von Locarno, 1920/22


1922
Helene und Andreas übersiedeln definitiv nach Wiesbaden, wo Alexej und Helene schliesslich heiraten. Sie wohnen in der Nikolasstrasse 3 und später in der Beethovenstrasse 9.

Es finden Reisen nach Berlin und Essen, wahrscheinlich auch nach Dresden statt. Anlässlich seiner Einzelausstellung besucht Jawlensky im Mai Walter Dexel in Jena, wobei eine langjährige Freundschaft zwischen den beiden Künstlern entsteht. Er besucht den Erfurter Sammler und Mäzen Alfred Hess, wo auch Paul Klee mit seiner Frau Lilly und seinem Sohn Felix sind sowie Max Burckhartz und Emmy Scheyer.

In den nächsten 11 Jahren malt Jawlensky überwiegend die «Abstrakten Köpfe», auch «Konstruktive Köpfe» genannt. Der Nassauische Kunstverein lässt 6 Lithographien Jawlenskys als Mappenwerk drucken.

Die von Emmy Scheyer organisierten Ausstellungen zeigen erste Erfolge.


1923
Jawlensky reist nach Bochum und Barmen.

Im Dezember besucht er den Sammler und Galeristen Otto Ralfs in Braunschweig, wie es aus einem Eintrag im Gästebuch Ralfs zu entnehmen ist. Dieser erwirbt mehrere Gemälde Jawlenskys, die aber alle während eines Bombenangriffes 1944 zerstört werden.


Alexej von Jawlensky 1924 in Wiesbaden


1924
Emmy Scheyer vereint Alexej von Jawlensky, Wassilij Kandinsky, Paul Klee und Lyonel Feininger, die sie durch Jawlensky kennen gelernt hatte, in der Gruppe «Die Blaue Vier» und reist als Vertreterin der vier Künstler am 8. Mai in die Vereinigten Staaten.

Zu Ostern besucht ihn sein Bruder Sergej; es ist das letzte Mal, dass sich die beiden Brüder sehen.

Zum zweiten Mal ist Jawlensky bei Otto Ralfs zu Besuch.

Den
Sommerurlaub verbringt die Familie auf der Insel Sylt.

Jawlensky fährt nach Hannover, wo er seine Bilder in der Kestner-Gesellschaft selbst hängt (Gruppenausstellung mit Hans Arp und Kurt Schwitters), Arp wieder sieht und Schwitters kennen lernt.


1925
Im Januar besuchen Kandinsky und Nina Kandinsky Jawlensky in Wiesbaden. Im April ist Jawlensky erneut bei Otto Ralfs.

Im Sommer hält er sich in Bad Brückenau auf. Er malt seine letzten «Heilandsgesichte».

George Grosz sowie Max Peiffer-Watenpuhl besuchen Jawlensky in Wiesbaden. Jawlensky fährt nach Hildesheim zur Eröffnung seiner und Andreas’ Ausstellung und macht auch Führungen. Anschliessend trifft er bei Erich Scheyer in Braunschweig die ganze Familie Klee. Ferner reist er nach Dresden, wo er bei der Sammlerfamilie Ida Bienert wohnt, danach nach Weimar, ans Bauhaus wo er für zwei Tage Klee und Kandinsky besucht; sie tauschen Bilder aus. Anschliessend fährt Jawlensky nach Ulm. Aus diesen Jahren mag die Bekanntschaft mit Josef Albers sein, der ihm nach 1933 aus den Vereinigten Staaten schreibt. Im Juni dieses Jahres versucht Jawlensky sein Gemälde von Delaunay zu verkaufen, er erhält diesbezüglich eine Anfrage von der Galerie Schaller, Stuttgart.


1926
Helene reist nach Ascona, wo sie alte Freunde wieder trifft.

Jawlensky fährt nach Braunschweig, wo eine Ausstellung mit dreien seiner Gemälde stattfindet.


Andreas und Alexej von Jawlensky im
Garten, Beethovenstrasse, Wiesbaden,
um 1927


1927
Im Februar/März unternimmt Jawlensky eine Reise nach Berlin und Dresden, wo er auch eine grosse Nolde-Ausstellung besucht.

Jawlensky begegnet der Wiesbadener Malerin Lisa Kümmel, die ihm in den nächsten Jahren helfen wird, sein Werk zu ordnen und zu katalogisieren, und die ihm auch bei seiner Korrespondenz behilflich ist.

Er macht die Bekanntschaft der Sammlerin und Kunstmäzenin Hanna Bekker vom Rath.

Der Freund und Sammler Karl Im Obersteg vermittelt ihm und Andreas eine Ausstellung bei Max Knöll in Basel.


1928
Emmy Scheyer besucht ihn und nimmt nochmals mehrere Gemälde Jawlenskys in die Vereinigten Staaten mit. Es wird in die Beethovenstrasse 9 umgezogen.

Helene fährt nach Paris, wo sie sich als Schönheitspflegerin ausbilden lässt. Sie eröffnet nach ihrer Rückkehr in Wiesbaden ein Schönheitsinstitut, um die finanzielle Not der Familie zu mindern. Andreas beginnt mit seiner Frau einen Tee- und Kaffeevertrieb zu leiten, später wird er Filialleiter in einem Zigarrengeschäft; nebenbei entwirft er Plakate für Werbezwecke und arbeitet als Angestellter im Landeswirtschaftsamt; dadurch kann er seine Familie finanziell unterstützen.

Die Sommerreise führt sie nach Borkum.


Helene und Alexej von Jawlenksy im Garten, Beethovenstrasse, Wiesbaden, 1929

1929
Erste Lähmungserscheinungen der Hände und Kniegelenke Jawlenskys werden als erste Symptome der Arthritis deformens diagnostiziert, die ihn später völlig lähmen wird ehe sie zum Tode führt.

Hanna Bekker vom Rath gründet mit dem Vorhaben den Künstler finanziell zu unterstützen mit einigen Kunstliebhabern die «Jawlensky-Gesellschaft». Die Mitglieder zahlen einen monatlichen Beitrag und erhalten nach vier Jahren einmal im Jahr ein Gemälde. Essy Thorn, Sekretärin beim Nassauischen Kunstverein, hilft die Korrespondenz und die Buchhaltung für die Jawlensky-Gesellschaft zu führen.

Im Juni stirbt Alexejs Bruder Sergej.

Möglicherweise 1929 fand ein Bildertausch mit Campendonk statt.

Im September fährt Jawlensky zur Ausstellungseröffnung bei Ferdinand Möller nach Berlin.


1930
Im Januar und im Frühling besucht ihn Kandinsky mit seiner Frau Nina in Wiesbaden.

Für drei Monate muss sich Jawlensky in einer anthroposophischen Stuttgarter Klinik aufhalten, wo ihn Ida Kerkovius mehrmals besucht. Im August folgt ein Kuraufenthalt in Pistyan, Tschechoslowakei, wo er den Maler Alfons Mucha kennen lernt. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide und die Schmerzen nehmen zu.

In Wiesbaden macht er die Bekanntschaft des Malers Otto Ritschl, der Kunstkritikerin Mela Escherich und  Schmidt-Rottluffs, den er höchstwahrscheinlich durch Hanna Bekker vom Rath kennen lernt.


1932
Ebenfalls in Wiesbaden lernt Jawlensky den Maler Alo Altripp kennen, der ihm später im Atelier bei der Katalogisierung seiner Werke helfen wird.

Im Februar muss Helene ihren Schönheitssalon wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage schliessen.

Im Juni fährt Jawlensky nach Berlin zu einem Klinikaufenthalt; danach besucht er Kandinsky in Dessau, erneut werden Bilder getauscht.

Von August bis Ende September findet ein erster Kuraufenthalt in Bad Wörishofen statt, wo er wenige Landschaften malt. Die hohen Arztkosten und die immer seltener werdenden Bildverkäufe verschlechtern die finanzielle Lage.


Jawlensky um 1933/34 in Wiesbaden

1933
Im April kommt Emmy Scheyer zu Besuch und nimmt erneut Gemälde in die Vereinigten Staaten mit.

Im September ist Jawlensky zur Kur in Baden, Schweiz; Sacharoffs sind im gleichen Hotel Verenahof und mit Jawlensky zusammen. Die Rückreise nach Wiesbaden führt über Basel, wo Jawlensky einige Tage bei den Freunden und Sammlern Karl und Marianne Im Obersteg wohnt und seine Ausstellung in Zürich organisiert.

Jawlensky probiert erfolglos eine Kur nach der anderen; ihm werden alle Zähne gezogen, er muss Radiumwasser trinken und äusserst schmerzhafte Spritzen in die Gelenke und in den Kopf erdulden.

Das Nazi-Regime erteilt Jawlensky und seinem Sohn Ausstellungsverbot.


1934
Durch das Fortschreiten der Krankheit versteifen sich Jawlenskys Finger so sehr, dass er gezwungen ist, bis 1937 kleinformatige abstrakte Köpfe, die er selbst «Meditationen» nennt, zu malen. In den Jahren 1934 und 1935 wählt er für diese Werke ein einziges Format, etwa 18 x 13 cm; er malt fast alle auf leinenstrukturiertem Malpapier. In schmerzfreien Stunden wählt er sofort wieder grosse Formate, um letzte fröhliche Stilleben zu malen, meist Blumenstilleben. In diesen Jahren fühlt er sich wegen der furchtbaren Schmerzen und der äusserst prekären finanziellen Lage, isoliert und deprimiert. Im Oktober schickt Jawlensky eine Meditation an den Kunsthistoriker Will Grohmann.


1935
Mit Lisa Kümmel reist Jawlensky nach Basel zu Karl und Marianne Im Obersteg. Er macht einen kurzen Abstecher nach Bern, um Klee zu besuchen, ein letztes Mal tauschen sie Bilder. Im April besucht ihn Will Grohmann.


Alexej von Jawlensky in seinem Wiesbadener Atelier,
Dezember 1936


1936
Jawlensky schickt nochmals Bilder an Emmy Scheyer in die Vereinigten Staaten. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend, er kann kaum noch gehen. 1936 und 1937 malt er weiterhin seine Meditationen und Blumenstilleben. Auch mit Schmidt-Rottluff werden Bilder getauscht.


Alexej von Jawlensky mit Helene und Andreas in Wiesbaden, Beethovenstrasse, 21. Mai 1937


1937
Im Juli/August findet ein letzter Kuraufenthalt in Bad Wörishofen statt, der aber aus Geldnot abgebrochen werden muss.

Von jetzt an kann Jawlensky sein Atelier nicht mehr verlassen. Er diktiert Lisa Kümmel seine Lebenserinnerungen und ordnet mit ihr das Werk. Das sog. Werkstattverzeichnis wird erstellt (publiziert in: Clemens Weiler, Jawlensky. Köpfe, Gesichte, Meditationen. Hanau 1970). 72 seiner Gemälde werden in öffentlichen deutschen Museen beschlagnahmt; einige davon werden in München in der Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt, die Jawlensky mit Helene und Adolf Erbslöh besucht.


1938
Jawlensky ist vollständig gelähmt und muss seine Malerei aufgeben, da er nicht mehr aufstehen kann; von 1934 bis 1937 hat er mehr als 1000 Meditationen gemalt. Er verbringt seine letzten Jahre ans Bett gefesselt und ist gezwungen die Briefe an seine Freunde und Bekannten, Lisa Kümmel zu diktieren.

Helene pflegt ihren geliebten Mann aufopfernd und unermüdlich bis zu seinem Tode.


1939
Alexej erkrankt zusätzlich an einer starken Anämie und einer schweren Rippenfellentzündung. Er leidet unendlich und ist sehr schwach, geistig aber noch sehr rege.


1941
Alexej von Jawlensky stirbt am 15. März im Alter von 77 Jahren. Er wird auf dem russisch-orthodoxen Friedhof in Wiesbaden beigesetzt. Die Trauerrede spricht sein langjähriger Freund Adolf Erbslöh.